Thema von katzenmama im Forum Geschichten voller Leb...
Marsik wurde 2011 in Russland geboren, dieser Bericht ist 2012 entstanden.
Ein Gesuch im Internet Anfang 2011:
Die Geschichte von diesem armen Kater ist schrecklich und hoffnungslos. In einer kleinen Stadt mitten in Russland auf einem Wochenmarkt ist jemand auf ein kleines Kätzchen getreten und ist weiter gegangen, von diesem Augenblick verwandelte sich das Leben von diesem Katzenbaby in eine Hölle. Das Kätzchen krabbelte auf den Vorderpfoten und war dabei langsam zu sterben, während die Menschen um das Kätzchen herum lachten und spöttisch lächelten. Aber die Barmherzigkeit des Gottes kennt keine Grenzen und der Gott hat die Engel zu dem Kleinen geschickt. Die Tierschützer brachten das Katzenbaby in eine größere Stadt Krasnodar, seitdem sind 7 Monate vergangen und jeden Tag geht der Kampf um das Leben von diesem Kater.
Es hat sich herausgestellt, dass das Kätzchen einen Wirbelsäulenbruch erlitten hat und da in Krasnodar keine Spezialisten gab, die dem Kleinen helfen konnten, wurde er nach Moskau zu den besten Tierärzten gebracht. Ein lieber, aktiver und geselliger Kater hat viele Herzen erobert. Dieser Kater hat den Namen Marsik bekommen (eine Verniedlichung vom Namen des Planeten Mars). Marsik hatte die Ehre ein Teilnehmer einer russischen Sendung „Gerechtigkeit“ zu sein, das ganze Land wusste Bescheid vom schweren Schicksal des jungen Katers und trotzdem wollte ihn kein Mensch haben.
Die Diagnose Lähmung der Hinterläufe und das unwillkürliche Urinieren hat alle Russen abgeschreckt. Es gab fast keine Tierärzte, die eine Chance auf Leben gegeben haben. Nur ein einziger Tierarzt Mamedov hat den Kampf um das Leben von Marsik aufgenommen. Akupunktur, Homöopathie, Massage und viele Medikamente haben bewirkt, dass Marsik manchmal fähig ist auch die Hinterpfoten beim Gehen zu benutzen. Sein Gang auf allen Vieren ist langsam und unsicher, manchmal fällt er, aber er steht wieder auf und versucht erneut zu gehen. Das Problem mit dem unwillkürlichen Urinieren wurde bisher nicht gelöst.
Mittlerweile können sich die russischen Tierschützer keine Pflegestelle für Marsik leisten, da Marsik schwer behindert ist fordern die Katzenpensionsbesitzer bis zu 10 Euro pro Tag für ihn. Die weitere Therapie muss auch bezahlt werden. Das Herrchen oder Frauchen ist weiterhin nicht in Sicht. Seit einem halben Jahr ist Marsik in einer 10 Millionen-Einwohner Stadt Moskau und konnte bisher nicht vermittelt werden. Die russischen Tierschützer stehen jetzt vor der Wahl entweder jetzt aufzugeben und den Kleinen einzuschläfern oder weiterhin Katzenpension und Therapie zu bezahlen (wobei die Mittel jetzt schon fehlen) und während dessen eine Vermittlung Im Ausland zu versuchen. Wir verstehen, dass auch in Deutschland eine Vermittlung gleich einem Wunder wäre, aber trotzdem möchten wir versuchen eine Familie für Marsik zu finden.
Marsik verbringt im Moment fast die ganze Zeit in einem Käfig, sehr selten darf er raus, wie ein Nomade wechselt er die Pflegestellen, aber trotzdem glaubt er, dass auch er irgendwann mal eine eigene Familie haben wird.
Marsik ist ca. 9 Monate alt (Stand Januar 2011), kastriert, geimpft, entwurmt und gechipt. Er kommt wunderbar mit den anderen Katzen und Hunden klar (seine beste Freundin ist eine Dackeldame).
Wir geben die Hoffnung nicht auf, dass auch dieser Invalide ein Recht auf Leben in einer Familie hat.
Unsere Tiere werden auf der Grundlage einer Vorkontrolle, eines Schutzvertrages und einer Schutzgebühr vermittelt (Nachkontrolle sollte erlaubt sein). Sie sind gechipt und gegen Tollwut und Katzenschnupfen geimpft. Weitere Informationen… (Von mir gelöscht)
Bitte beachten Sie: Marsik befindet sich noch in Russland. Sobald wir eine Unterbringung für ihn finden, wird er mit dem Flugpaten nach Deutschland kommen.
Auch eine ehrenamtliche Pflegestelle würde Marsik sehr helfen.
So wurde das Gesuch ins Internet gestellt. Zu der Zeit war ich noch nicht in Foren aktiv und erfuhr davon durch eine Kollegin, mit der ich zusammen im Katzenschutz tätig war.
Sie hatte die Nachricht per E-Mail bekommen und er ging ihr nicht mehr aus dem Kopf. Darum sprach sie mit mir darüber, weil ich doch schon einen behinderten Kater hatte.
Dies sind Bilder aus Russland, die kannte ich da aber noch nicht. Ich fand sie später in einem anderen Forum, in dem er vorgestellt worden war.
Mit diesem Bericht möchte ich allen, die sich nicht sicher sind, ob sie einem behinderten Tier gerecht werden können, Mut machen. Traut Euch einfach, Schwierigkeiten sind dazu da, überwunden zu werden. Es lohnt sich! Ich möchte keines meiner Tiere missen!
Lange musste ich nicht überlegen, denn wo ein behindertes Katerchen lebt, kann gut auch ein zweites sein Zuhause finden, dachte ich, also entschied ich mich, Marsik aufzunehmen. Erst anschließend sah ich die Bilder und war überrascht, dass er zu den Waldkatern gehört. Ob reinrassig, weiß ich nicht, aber spielt das eine Rolle?
Nachdem wir uns beworben hatten, fing das Warten an. Ich beschäftigte mich in Gedanken viel mit Marsik. Wenn ich schlafen ging, sah ich ihn vor meinem geistigen Auge in seinem Käfig liegen, ich sah ihn schlafend und dachte dann: kleiner Marsik so weit weg, schlaf gut, bald kommst Du her, dann wird es endlich schön für Dich!
Jeden Tag dachte ich an ihn und jeder Tag brachte ihn mir näher - dachte ich! Wir hatten sogar eine Flugpatin aus unseren Reihen für ihn finden können, die ihn dann auch tatsächlich von Moskau nach Hannover begleitete. Meine Tochter und ich hatten auch schon fest eingeplant, ihn in Hannover abzuholen. Und dann kam die Absage! Die Mitteilung, dass man sich für eine andere Pflegestelle entschieden hatte, traf mich wirklich hart! Ich musste alle Gedanken an ihn verdrängen, denn ich glaubte, ich würde nie mehr von ihm hören.
Zum Glück kam es anders. Aus verschiedenen Gründen war sein Bleiben auf der Pflegestelle nicht möglich und man fragte bei uns nach, ob ich immer noch bereit sei, Marsik aufzunehmen. Ja, ich war bereit, aber schon vorsichtiger mit meiner Freude.
Nach einigen Telefonaten erfuhr ich mehr über die Probleme, die seine Behinderung mit sich bringt. Sie waren größer, als ich zunächst gedacht hatte. Ursprünglich hieß es, er sei inkontinent, nun erfuhr ich, dass er seine Blase nicht ausreichend leert und dass sie ihm regelmäßig ausgedrückt werden muss. Das jagte mir einen ordentlichen Schrecken ein, denn das hatte ich noch nie gemacht. Mein Picco ist ja nicht inkontinent, er kann nur nicht zum Klo gehen.
Da kamen schon Zweifel in mir auf, aber ich wurde damit beruhigt, dass ich das schon lernen würde, auf der anderen Pflegestelle klappte das auch und man würde mir das zeigen.
Ich ließ mich beruhigen und sagte mir selbst, das wird schon. Wenn man will, kann man eine ganze Menge schaffen! Außerdem stand mein Verein hinter mir, ich war nicht alleine. Zu Marsiks Begrüßung kam auch meine Kollegin vom Verein zu mir und wir warteten gemeinsam auf seine Ankunft
Am späten Nachmittag des 12. März 2010 traf Marsik mit seinem Pflegepapa ein. Ich sah Marsik das erste Mal in voller Lebensgröße und dachte nur, liebe Zeit, ist der groß! Es stimmt, er ist kein kleiner Kater, ich hatte einfach nicht daran gedacht, dass diese Rasse größer ist als andere. Wir ließen Marsik aus der Transportbox und er machte sich auf den Weg, sein neues Reich zu erkunden.
Meine anderen Tiere sind es gewohnt, dass hier immer mal wieder ein Neuzugang herumläuft, ein paar Faucher, erstmal weglaufen und sich dann langsam annähern, das kennen sie. Es passiert nie etwas. Auch mit Marsik ging die Eingewöhnung schnell und problemlos.
Dann folgte meine Einweisung in Sachen "Blase ausdrücken". Michael machte das wirklich gekonnt, erklärte mir, wo und was ich fühlen müsste und wie ich richtig drücken sollte. Er führte mir sogar erst die Hand und tatsächlich - es gelang mir - Marsik pinkelte im hohen Bogen! Allerdings machte er dabei ein ziemliches Theater, jammerte, knurrte und wehrte sich vehement. Ganz wohl war mir nicht.
Der Abschied kam und ich war mit Marsik alleine. Ich sah ihn mir an und musste schlucken, denn ich stellte mir vor, wie es für ihn wohl sein müsste, so viel in so kurzer Zeit zu erleben, so weit gereist zu sein und nun hier, wo er nichts und niemanden kannte, ganz alleine zu sein. Armes kleines Kerlchen! Das war der Augenblick, in dem ich ihm versprach, dass er nun nie wieder weg müsse!
Am nächsten Morgen fand er sich auch schon zum gemeinsamen Frühstück in der Küche ein und hatte endlich auch Appetit! Nur mir schmeckte es nicht so richtig, wenn ich daran dachte, dass ich ihm gleich allein die Windel wechseln musste, war ich doch ein wenig angespannt. Ich hatte am Abend vorher gesehen, dass er ein quirliger und ungeduldiger Kandidat ist, so völlig anders als Picco, aber es musste sein und ich würde es schaffen!
Na ja, bei dieser ersten Aktion waren wir schon nicht einer Meinung. Um ehrlich zu sein, es war ein ziemlicher Kampf. Ich hatte auf dem Sofa ein Badetuch ausgebreitet, darauf eine Wickelunterlage, eine Windel mit Schwanzloch lag bereit und eine Rolle Haushaltspapier.
Schritt eins: Marsik auf die Unterlage setzen
Schritt zwei: Marsik will nicht, will weglaufen
Schritt drei: den Kater, der sich wehrt, festhalten, versuchen, die benutzte Windel abzumachen, Klebestreifen lösen, an der Windel ziehen, die Klebestreifen bleiben im Fell hängen, Kater beißt
Schritt vier: Windel ist ab - wie krieg ich da jetzt die neue dran? Versuch, den Schwanz durch das Loch zu fädeln, fast unmöglich, weil Marsik längst genug hat und unbedingt vom Sofa springen will
Schritt fünf: Kater mit der linken Hand und dem Unterarm nach unten drücken, so festhalten, versuchen, mit der rechten Hand die Windel über den Schwanz zu ziehen, den vorderen Teil der Windel durch die Beine unter den Bauch bringen, den hinteren über den Rücken legen, die Klebestreifen vom Vorderteil aufklappen und Vorder- und Hinterteil der Windel miteinander verbinden - so weit die Theorie! In der Praxis hatte Marsik da auch noch ein Wörtchen mitzureden...
Schritt sechs: ich setze auf Tempo, führe die eben beschriebenen Schritte so schnell durch, dass meine Hände nur so fliegen und - ES HAT GEKLAPPT!
Marsik darf vom Sofa runter und ich kann die Bescherung beseitigen, denn alles ist zerwühlt, die sorgfältig zurecht gelegte Wickelunterlage ist zerfetzt und nass, weil er zwischendurch immer wieder mal leck war und mein Sofa kann ich abziehen und den Bezug in die Waschmaschine stecken. Ich brauche eine Pause, bin völlig durchgeschwitzt.
Soll das jetzt immer so sein? Daran muss ich noch arbeiten!
Über den Versuch, ihm die Blase zu leeren, schweige ich lieber. Nur so viel: ich hab es nicht geschafft. Wir fahren da lieber zum Tierarzt und lassen das machen, es geht ruckzuck und macht ihm überhaupt nichts aus. Außerdem bin ich ganz sicher, dass es da richtig gemacht wird, denn wenn man da Fehler macht, drückt man den Harn in die Nieren, das wäre fatal!
Und ich hatte auch wirklich noch nicht die zündende Idee, wie es durchzuführen ist, denn ich müsste ihn zumindest auf die Seite legen und dann an ihm arbeiten, da macht er Theater. Mit nur zwei Händen ist es schwierig, ihn zu bändigen und dann auch noch die Blase fachgerecht auszudrücken.
Beim TA sind wir immer zu dritt. Er steht, ich halte Marsiks Vorderbeine und schmuse mit ihm, die Helferin hält sein Hinterteil samt Schwanz und die Unterlage, gegen die er dann pieselt, hoch, während der TA das Ausdrücken vornimmt. Und im Stehen macht er gar keine Schwierigkeiten. Ich denke mal, das kommt, weil es eine für ihn natürliche Stellung ist.
Das waren meine ersten Erfahrungen, nicht sehr ermutigend, aber Ihr wisst alle, dass er immer noch bei mir ist. Soll heißen: man kann das schaffen! Ich bin inzwischen richtig flott beim Windelwechseln, Marsik ist zwar immer noch ungeduldig, aber er beißt mich nicht mehr und nimmt es einfach hin, manchmal schnurrt er sogar dabei.
Windeln wechseln klappte inzwischen, größere Probleme bereitete mir seine Verdauung und das damit verbundene Waschen oder Baden.
Wenn er die Windel so richtig voll gemacht hatte, half alles nichts, er musste gewaschen werden. Anfangs versuchte ich ihn mit Baby-Pflegetüchern zu säubern, zumindest, wenn er nur einen Kloß in der Hose hatte. Kann ich nicht empfehlen! Man braucht jede Menge davon, richtig sauber wird es nicht und der Geruch geht auch nicht weg, wird eher intensiver, weil man den Kot wieder anfeuchtet. Zudem hat er langes Fell, das bekommt man so einfach nicht sauber.
Für Picco lasse ich in solchen Fällen warmes Wasser ins Waschbecken, lege mir ein Handtuch zurecht, tauche nur seinen Po ein und wasche ihn dann. Wirklich nicht besonders schwer, ich muss ihn nur gut festhalten und das Handtuch muss genau daneben liegen, damit wir nicht den Boden klatschnass machen. Aber Picco braucht das selten, er mag es auch nicht und so reicht bei ihm ein kleiner Eimer mit warmem Wasser und ein Waschlappen. (Ich nehme einen Eimer, weil der auf dem Tisch nicht so viel Platz braucht wie eine Schüssel – trotzdem ist reichlich Wasser darin.)
Wenn es bei Marsik auch so einfach gewesen wäre, müsste ich das hier gar nicht erwähnen. War aber wieder mal alles anders. Von dem Moment an, als ich sein Hinterteil im Waschbecken ins Wasser tauchte, muss er gedacht haben, sein Ende sei nah! Er entwickelte ungeahnte Kräfte, ich konnte ihn fast nicht halten, er schrie, wand seine Vorderbeine aus meinem Griff, drehte sich zu mir um und langte mit seinen kräftigen Krallen nach mir, sodass ich den Kopf wegdrehen musste, weil ich Angst hatte, dass er mich im Gesicht oder am Hals verletzt.
Wohlgemerkt, er wollte mich nicht angreifen. Er suchte nur nach einer Möglichkeit, da weg zu kommen. Da klammert man sich doch an einen Strohhalm oder eben an den nächsten Hals.
Alles klar - Waschbecken: nicht noch einmal!
Die Idee mit der Duschwanne war geringfügig besser. Vorteil war, ich musste ihn nicht festhalten, sondern konnte ihn ins Wasser setzen und er schrie nicht so sehr. Dafür setzte er mit seiner Planscherei alles unter Wasser und versuchte, über den Rand zu klettern. Leider besitze ich weder Gummistiefel noch Gummischürze. Meine Hausclogs samt Strümpfen waren klatschnass und bis ich ihn auf sein Handtuch gehoben hatte, lief es von meiner Hose und meinem T-Shirt in Bächen runter.
Aber die Vorstufe zu meiner wirklich brauchbaren Lösung hatte ich erreicht. Beim nächsten Mal kam er in die Wanne. Zehn Zentimeter hoch Wasser, Marsik reinsetzen, eine Weile hin und her paddeln lassen und dann mit Schwung aufs Handtuch. Beim Herausheben noch das Wasser aus dem Schwanz streifen - inzwischen kein Thema mehr!
Wir wissen alle aus Erfahrung, wie sensibel Katzen auf Veränderungen in ihrem Leben reagieren und meistens mit Durchfall. Kann am Stress liegen, kann auch die Futterumstellung sein, bis man das raus hat, muss man eben das Beste draus machen. Das blieb uns auch nicht erspart und so steigerte sich der Schwierigkeitsgrad noch einmal um Einiges.
Es war kein schlimmer Durchfall, aber fester Kot ist halt anders. Und wenn der weiche Windelinhalt so richtig breit gesessen ist...
Wasser in die Wanne, Kater geschnappt, möglichst weit vom Körper weg gehalten, weil es schon an den Seiten aus der Windel quoll, Windel abgemacht, bei seinem Fluchtversuch schmierte er den Fliesenboden ein und als ich ihn hochhob, landete ein dicker Klecks auf meinem Schuh. Beim Herausheben dann noch einer auf dem frischen Handtuch. Merke: alles in mehrfacher Ausführung bereit legen, sonst ist man aufgeschmissen.
Gerade bei Marsik ist es so, dass er auch das Absetzen von Kot nicht kontrollieren kann, das passiert ihm nicht nur bei Durchfall. Da kann es sein, dass ich ihm gerade die frische Windel über den Schwanz gezogen habe und er erleichtert sich - dann eben alles noch mal von vorne!
Noch einmal der Rat: sei möglichst auf ALLES vorbereitet!!!
Und zum Schluss ein anderer, wirklich ganz ernst gemeinter Rat: Jeder, der daran denkt, ein Tier mit solchem Handicap aufzunehmen, sollte versuchen, möglichst viel über das Tier zu erfahren.
Die Informationen über Marsik waren nicht vollständig. Mehr zu wissen, bedeutet, dass man sich bewusst auf diese Aufgabe einlässt und nicht hilflos vor immer neuen Problemen steht. Denn das kann auch mal gründlich daneben gehen. Leidtragender ist das Tier, das wieder abgegeben und so zum „Wanderpokal“ wird.
Wer nun erwartet, einen kleinen bedauernswerten Kater bei mir zu sehen, der sich mühevoll irgendwie vorwärts bringt, wird erstaunt sein.
Großer Irrtum! Marsik ist unglaublich flott auf seiner Windel unterwegs, startet, wenn er sich beeilen will, auf allen Vieren und manchmal, wenn er auf Leckerlis hofft, ist er schneller in der Küche als ich. Ich würde davon gerne mal Fotos einstellen, aber ich schaffe das nicht, der Junge ist einfach zu schnell.
Eigentlich ist er ja fast ebenso beweglich wie die anderen, trotzdem hatte sich der Gedanke, ihm auch einen Gehwagen bauen zu lassen, in meinem Kopf festgesetzt. Es ging mir dabei weniger um die Möglichkeit der Fortbewegung, sondern viel mehr darum, dass seine Wirbelsäule mal gerade sein sollte und seine Organe entlastet werden und so liegen, wie es sich gehört. Das tut ihm ganz bestimmt gut. Er wird nun doch einige schöne Jahre vor sich haben und da konnte ich es nicht mit ansehen, dass er immer nur sitzt wie "Barbapapa", wenn Ihr den noch kennt.
Mit der Tierärztin hatte ich auch darüber gesprochen, sie fand das auch eine gute Idee. Vor allem, weil wir mit Piccos Wagen schon versucht hatten, wie Marsik das annimmt. Sie gab nämlich zu bedenken, dass manche Hunde, die die Hinterbeine noch bewegen können, in den Rollis dann damit die ganze Zeit zappeln.
Marsik kann seine Hinterbeinchen ja auch benutzen, aber im Rolli lässt er sie locker hängen. Ist ja auch ein kluger Kater!
Dank meinem lieben Kollegen Joachim hat Marsik seinen schicken Rolli bekommen. Achim hat sich viele Gedanken dazu gemacht, viel probiert, ist immer wieder zur Anprobe hergekommen und hat am Ende wirklich ein ganz tolles Gefährt konstruiert, besser hätte man es nirgends bekommen können!
Marsik mag seinen Wagen und kann gut damit umgehen, er kann den Wagen jedoch nur benutzen, wenn ich hier bin, also abends und am Wochenende. Aber das bringt sicher auch schon was. Wenn ich ihn hineinsetze, flitzt er erst mal los und vergnügt sich so lange, wie er mag. Er hat den Bogen raus, wie er da alleine aussteigen kann und ich will ihn nicht darin festbinden, denn es soll ihm weiter Spaß machen.
Die Anproben ließ er mehr oder weniger geduldig über sich ergehen. Geduld ist keine seiner hervorragenden Eigenschaften, und so war er meistens schon nach kurzer Zeit von dem Gefummele total genervt. Dann musste er wieder eine Weile aussteigen und durfte sich auf seiner Matte aalen.
Bei den ersten Versuchen stellten wir fest, dass wir zu wenig berücksichtigt hatten, dass Marsik eine ziemlich schlappe Bauchmuskulatur hat. Das ist eigentlich kein Wunder, wenn man überlegt, wie lange er diese Muskeln schon nicht richtig nutzte. Der Bauch wird mit der Zeit hoffentlich etwas strammer werden, aber seine Liegefläche wurde noch verändert, sodass er es bequemer hat. Und er hat nun auch vier Räder, mit zweien konnte er nicht gut umgehen. Von dem Halsband, das zunächst vorgesehen war, um ihn im Wagen zu halten, mussten wir uns komplett verabschieden. So ein Ding hat er sein Leben lang noch nicht umgehabt und gedachte auch nicht, damit plötzlich anzufangen. Keinen Schritt wollte er damit machen! Da half kein Locken und kein Leckerli. Marsik weiß, was er will und was nicht!
Inzwischen ist Marsik schon so lange bei mir und es geht ihm wirklich gut!
Nach anfänglichem Durchfall und ein paar Blasenentzündungen, die er auch in den ersten Monaten hatte, ist seine Gesundheit nun stabil. An seinem Handicap wird sich nichts mehr ändern. Die Röntgenaufnahmen, die ich kürzlich machen ließ, haben ergeben, dass sein Zustand endgültig ist. Wäre er damals in Russland sofort operiert worden, hätte man sicher noch etwas verbessern können, aber das ist nun zu spät.
Trotzdem kann er sogar auf einen Stuhl klettern.
Mit den anderen Katzen, besonders mit Lasse, spielt er sehr gerne
Ich finde, hier sieht man sehr gut, dass er sich wohl fühlt
Das ist ganz eindeutig ein Starfoto
Ich bin so froh, dass ich ihn aufgenommen und nicht aufgegeben habe, als es schwierig wurde, denn in Russland hätte ihn nur noch der Tod erwartet. Man hatte ihn dort auf verschiedenen Pflegestellen untergebracht, konnte sich die Kosten, die immens waren (es sollen 10€ pro Tag gewesen sein!), nicht mehr leisten und hatte anscheinend auf vielen Wegen versucht, ein Zuhause für ihn zu finden. Seine Geschichte soll sogar im russischen Fernsehen bekannt gemacht worden sein, aber in ganz Russland fand sich niemand, der ihn haben wollte, seine Behinderung schreckte alle ab. Ich liebe ihn so, wie er ist und manchmal, wenn ich die alten Verletzungen an seinem Rücken sehe, muss ich ihn knuddeln und sage ihm immer wieder, dass er nie, nie mehr hier weg muss! Das kann ich ihm guten Gewissens versprechen, denn seit letztem Dezember ist er mit Brief und Siegel MEIN MARSIK! (Den Namen hat er behalten, er sollte doch seine Identität nicht verlieren, sondern nur ein schönes und dauerhaftes Zuhause bekommen!)
Thema von katzenmama im Forum Geschichten voller Leb...
Picco wurde 2009 geboren, dieser Bericht ist aus 2012.
Als Pflegestelle nahm ich einige Jahre lang Katzen in Notsituationen auf. Die meisten meiner Schützlinge wurden im Laufe der Jahre vermittelt, es kamen immer wieder neue Tiere nach. Da ich die beiden ehemaligen Kinderzimmer als Katzenstuben nutzen kann, bot es sich an, werdende Katzenmütter oder Fundkatzen mit ihren Jungen aufzunehmen. Die Katzenmütter hatten dort einen ruhigen Raum für sich, in dem sie ungestört ihre Babies zur Welt bringen und die Kleinen versorgen konnten.
Nach einer gewissen Zeit durften alle immer das Zimmer verlassen und meine Wohnung immer wieder auf's Neue verwüsten, bis sie ein neues Zuhause gefunden hatten.
So hätte es auch mit Picco sein sollen.
Vor drei Jahren im Sommer erhielt meine Tierschutzkollegin einen Anruf, der sich so ähnlich abgespielt haben muss:
"Hallo, ich bin Frau XY und ich habe da ein Problem." (alle Antennen gehen hoch!) "Was ist denn Ihr Problem?"
"Ja, in meinem Garten im Schuppen sitzt eine Katze mit ihren Jungen."
"Die gehört niemandem?"
"Nein, hier gibt es ja viele herrenlose Katzen. Aber die muss da weg."
"Ist die Katze denn zahm? Können Sie sie anfassen? Haben Sie gesehen, ob sie eine Tätowierung hat? Wie alt sind die Jungen und wie viele sind es?"
"Ob die tätowiert ist, weiß ich nicht, aber anfassen kann ich sie manchmal, wenn ich sie füttere. Ja, und die Kleinen, das sind fünf, die sind vielleicht so sechs Wochen alt. Aber die müssen da jetzt weg. Und mein Kater macht auch schon Theater."
(Aufstöhnen wird halbwegs unterdrückt)
"Frau XY, warum melden Sie sich erst jetzt bei uns? Es wird dringend Zeit, dass die Familie unterkommt. Wenn die Jungen noch älter werden, wird es schwierig, sie an Menschen zu gewöhnen. Haben Sie mal darüber nachgedacht, dass in kürzester Zeit sechs unkastrierte Katzen in Ihrem Garten herumlaufen könnten?"
"Darum sag ich ja, die müssen da weg! Und mein Kater will die hier auch nicht!"
Das ist das "täglich Brot" meiner Tierschutzkollegin. In den letzten Jahren wurde es immer schlimmer, man las von sämtlichen Tierheimen und anderen Katzenschutzvereinen, dass es eine Katzenschwemme gäbe, dass immer mehr Katzen aufgenommen werden müssten und dass alle Pflegestellen bis unters Dach voll säßen. Uns erging es da nicht anders, aber ein paar Tage später hatte ich einige Stubentiger umgesiedelt und ein Zimmer für die kleine Familie bereit gemacht.
Besuch beim Tierarzt, Wurmkur etc. und Mama konnte mit ihren Kindern einziehen. Sie war ein wenig ängstlich und ihre fünf Kinder wussten noch nicht, ob man den Menschen trauen kann oder sich besser unsichtbar macht. Nach kurzer Zeit hatten sie sich aber einigermaßen eingewöhnt.
Fünf süße kleine Fellknäuel, drei Jungs und zwei Mädchen, tobten fröhlich herum und Mama saß zufrieden auf der Fensterbank und behielt den Überblick.
Doch zwei, drei Wochen später betrat ich morgens die Kinderstube und mir bot sich ein Bild, das ich nie mehr vergessen kann. In einem überdachten Körbchen lagen drei Katzenkinder, ein Katzenmädchen war in der Nacht gestorben und zwei Katerchen, eins davon Picco, hatten sich angekuschelt. Es sah aus, als hätten sie dem sterbenden Schwesterchen noch ein wenig Wärme geben wollen. Zu beschreiben, wie es in mir aussah, fehlen mir die Worte.
Am selben Tag schlief auch das zweite Katzenmädchen für immer ein.
Jeder, der so etwas schon erlebt hat, weiß, wie es mir danach ging und sogar heute noch, drei Jahre später, geht.
Die dann folgenden Tage waren furchtbar. Das Katzenzimmer mochte ich kaum betreten, wäre dann aber am liebsten rund um die Uhr drin geblieben um zu beobachten. Ein paar Tage war alles in Ordnung mit den anderen doch eines Morgens wurden wieder zwei Katerchen krank. Sie hatten ein wenig gespuckt, mochten nicht fressen und verkrochen sich. Ihr Fell sah struppig aus. Picco war gesund.
Gar nicht erst beim Tierarzt angerufen, die Beiden gleich in die Box und mit zitternden Knien zur Praxis gefahren. Auch diese Kleinen hatte das Virus erwischt, das nicht näher bestimmt werden konnte. Sie wurden sofort mit Antibiotika, Vitaminen und ich weiß nicht, was noch, behandelt. Ich fuhr täglich in die Praxis, sie wurden behandelt und nach einigen Tagen zeigte sich eine Besserung. Bis auf eine leichte Ataxie wurden sie wieder gesund. Man kann vermuten, dass ihr Immunsystem stärker war als das ihrer Schwestern.
Und dann traf es Picco doch noch. Sein Körperchen hatte so lange der Krankheit widerstehen können, aber es reichte dann doch nicht.
Picco erwischte es ganz schlimm. Als die Medikamente nach zwei Tagen keine Besserung bewirkt hatten, musste er stationär aufgenommen werden. Er erhielt seine Medikamente durch Infusion und musste drei Tage dort bleiben. An einem Freitag bekam ich den Anruf aus der Praxis. Schon die Nummer des Tierarztes auf dem Display meines Telefons hatte mich erstarren lassen, aber man sagte mir, ich könne den Kleinen abholen.
Da bekam ich nun meine Handvoll Kater, Etliches an homöopathischen Mitteln, ein paar Spritzen und zwei Dosen spezielles Aufbaufutter und durfte nach Hause fahren. Picco sah noch sehr krank und kümmerlich aus und ich hatte Angst vor dem, was da auf mich zukam. Was, wenn es ihm schlechter geht? Was, wenn ich das mit ihm nicht schaffe?
Ich baute zunächst eine Gitterbox auf, denn wo sollte ich ihn sonst geschützt unterbringen? Ein Klo brauchte ich nicht hineinzustellen, denn er war viel zu schwach es zu benutzen. Weiche Decke, ein kuscheliges Nestchen, das war die Ausstattung.
Und dann saß ich daneben und beobachtete ihn. Alle zwei Stunden bekam er Wasser mit der Spritze und ein bisschen von dem Aufbau-Futterbrei. Ab und zu ein frisches Handtuch unter den Po, weil er Pipi gemacht hatte. Immer wieder hielt ich ihn auf dem Arm und hoffte, dass es gut gehen möge.
Picco hielt durch und es wurde jeden Tag ein bisschen besser. Er lag in seinem Nestchen und schlief sehr viel. So bemerkte ich zunächst gar nicht, dass er nicht lief. Es war ja klar, dass er noch schwach war und erst wieder aufholen musste. Auch das Wackeln mit dem Köpfchen erklärte ich mir mit Schwäche.
Doch beim nächsten Tierarzttermin eröffnete man mir, dass er eine schwere Ataxie zurückbehalten hätte und wohl nie würde laufen können. Auf meine Frage, ob man dagegen nicht noch etwas tun könne, wurde mir geantwortet, dass man noch die Präparate, die er bereits bekam, weitergeben könne, aber wenn dann keine Besserung festzustellen sei, sei es sicher, dass er nicht mehr laufen würde und dann müsse man sehen...
Mir dämmerte, was der Satz bedeuten sollte und ich war entsetzt! Nicht mein Picco! Nicht das Katerchen, mit dem ich um sein kleines Leben gekämpft hatte! Nicht er, der mich mit wachen Augen ansah und nur nicht laufen konnte. Auf keinen Fall würde ich zustimmen, dass er eingeschläfert würde.
Und so ist Picco wohl eine der am schwersten behinderten Ataxiekatzen, die leben.
Picco und ich hatten den Kampf gegen die böse Krankheit gewonnen. Nun musste ihm das tägliche Leben erleichtert werden. Zunächst hatte ich ihn in der Gitterbox, dort war er sicher aufgehoben. Und man kann Näpfchen mit Futter und Wasser daran befestigen. Weil ich nicht sicher war, ob er mit dem Wassernäpfchen zurecht kam, besorgte ich sogar eine Nagertränke. Aber das hätte ich mir sparen können, damit wusste er nichts anzufangen. Er kam mit dem Napf ganz gut zurecht. Ich nahm ihn so oft wie möglich heraus, trug ihn herum oder setzte mich mit ihm auf's Sofa. Wir schmusten viel miteinander und er schlief gerne auf meinem Schoß.
Picco ist nicht inkontinent, aber anfangs passierte es oft, dass er in sein Bettchen machte. Ich versuchte es mit einem selbstgebauten Klo. Von einem kleinen Karton hatte ich eine Kante ganz weg geschnitten und den Karton mit einer Plastiktüte überzogen. Funktionierte leider nicht, weil er sich nicht alleine aufsetzen kann. Auch meine Hoffnung, er könnte wenigstens hinein- und wieder hinausrobben, wenn ich auch die zweite Kante kürze, war vergebens. Also blieb mir nur, immer wieder sein Bettchen frisch zu machen.
Allerdings lernte ich mit der Zeit, wann er das Zeichen gab, dass er mal musste. Dann schnappte ich mir den kleinen Kerl und sauste mit ihm los. Eiligst die Haube vom Klo runter, Picco reinsetzen und festhalten und warten, bis er fertig war. Sogar scharren wollte er. Manchmal musste er auch gar nicht - ich hatte ihn falsch verstanden und dann scharrte er nur in der Katzenstreu und hatte seinen Spaß dabei. Mir ging das allmählich doch ziemlich in den Rücken und ich machte mir wieder mal Gedanken.
Die Lösung war so simpel, dass ich mich fragen musste, weshalb ich darauf nicht schon eher gekommen war. Ich stellte ein Katzenklo ohne Haube in Arbeitshöhe im Badezimmer auf einen Wäschebehälter. Nun durfte Picco ruhig mal länger brauchen und eine Runde spielen, ich konnte ja aufrecht stehen.
So weit, so gut, aber ich bin nun mal voll berufstätig und somit viele Stunden nicht zu Hause. So lange kann ein kleiner Kater nicht einhalten. Ich brachte ihn morgens, bevor ich aus dem Haus ging und abends, sofort, wenn ich nach Hause kam, zum Klo. Meine Tochter, die von ihrem Arbeitsplatz nur ein paar Minuten bis zu mir braucht, fuhr in der Mittagspause schnell hin und übernahm so die "Mittelschicht". Sehr oft klappte das richtig gut, aber manchmal auch nicht und meine Wäscheberge wurden nicht kleiner. Das war für mich aber nicht das Schlimmste. Viel mehr machte mir der Gedanke zu schaffen, dass Picco manchmal in seinem nassen oder schmutzigen Bettchen liegen musste, bis ich nach Hause kam. Und wenn er großes Geschäft gemacht hatte und alles am Fell hatte, musste ich ihn anschließend baden, was er gar nicht leiden konnte. Er tat mir so leid. Wer schon einmal eine nasse Katze gesehen hat, weiß, was für ein erbärmlicher Anblick das ist. Ich wollte ihm das so gerne ersparen.
Und dann kam endlich die Idee mit den Windeln. Meine Kinder sind längst erwachsen, somit hatte ich keine Ahnung, was ich kaufen sollte und stand im Laden erstmal ratlos vor dem Windelregal, las alle Angaben auf den Kartons und Paketen, verglich Preise, Größen und Mengen miteinander. Ich hoffte, dass die kleinste Größe ihm passen würde und nahm ein Paket davon mit.
Seitdem trägt Picco meistens Windel. Das klappt super. Bevor ich sie ihm anziehe, muss ich natürlich ein Loch für seinen Schwanz hineinschneiden. Bei den ersten Versuchen fiel das noch zu groß aus, sodass er manchmal etwas aus der Windel verlor, aber man lernt ja! Inzwischen geht das ganz fix und passt. Wichtig ist auch, dass ich ihm die Windel verkehrt herum anziehe, sodass die Klebestreifen auf dem Rücken geschlossen werden. Das geht nämlich viel einfacher als unterm Bauch. (Genauer habe ich das unter dem Thema Windeln beschrieben.)
Damit war uns beiden geholfen. Ich hab ein gutes Gewissen und keine Wäscheberge mehr und Picco liegt im Trockenen. Ab und zu muss ich ihm noch den Po waschen, aber das ist nichts im Vergleich zu den Vollbädern, die er so furchtbar fand.
Als Picco sich von seiner Krankheit gut erholt hatte, merkte ich, dass er immer wieder versuchte, voranzukommen, es aber nicht wirklich schaffte. Ich habe ihn immer wieder hingestellt, bin mit ihm gebückt herumgelaufen, hoffte, er würde zumindest lernen, sich mit den Vorderbeinen voran zu ziehen. Aber alle meine Bemühungen brachten ihn nicht weiter.
Das war für mich eine ganz schlimme Zeit, denn wenn seine Brüder an ihm vorbeitobten, sah ich, dass er sie mit den Augen ganz aufmerksam verfolgte und gerne mitgemacht hätte. Seine Füßchen zuckten dann, aber er wusste nicht, wie er sie nutzen sollte. Ihm gerieten die Gliedmaßen immer durcheinander und ihm fehlte auch die Kraft. Ich habe oft dagesessen und mich gefragt, ob ich wirklich das Richtige getan hatte. Ob das Leben für ihn lebenswert wäre oder ob er durch meine Entscheidung ein leidvolles Dasein führen würde.
Aber dann dachte ich daran, dass es auch behinderte Menschen gibt, die nichts alleine können, nicht einmal sich artikulieren, und auch ihnen merkt man an, dass sie Glück empfinden.
Nach solchen traurigen Stunden und diesen Überlegungen fasste ich wieder Mut zum Weitermachen.
Ich besprach mit meiner Tierschutzkollegin, dass ich der Meinung sei, Picco brauche professionelle Hilfe, damit zumindest die Fähigkeiten, die ihm gegeben seien, gefördert werden könnten.
So wurde eine Bitte um Patenschaft für Picco auf die Website des Vereins gesetzt, seine Geschichte veröffentlicht, und es fanden sich tatsächlich sehr liebe und großzügige Paten für ihn. Ein echter Glücksfall, denn sie blieben auch die einzigen! Wie sind so dankbar!
Eine sehr liebe und fähige Tierphysiotherapeutin arbeitete seither ein Mal in der Woche mit ihm, er wurde massiert, damit er sich entspannte - anfangs hatte er häufig Spastiken, die wurden deutlich seltener - dann wurden seine Beinchen bewegt, sie übte mit ihm das Gleichgewicht zu halten und trainierte den Bewegungsablauf. Das alles zu einem Spezialpreis, sodass das Patengeld für die Behandlungen reichte.
An dieser Stelle: Danke, Birgit!
Nach länger als einem Jahr Behandlung machten wir uns nichts mehr vor. Picco wird nie laufen können, die Schädigung seines Gehirns ist zu groß, aber wenn er sich Mühe gibt, schafft er es manchmal dort hin, wohin er will, das ist doch auch was wert!
Wegen seiner Spastiken hatte ich einige schmerzhafte Erlebnisse. Ich lag eines Abends tatsächlich mal auf dem Sofa (dazu komme ich nicht oft), Picco lag in meinen Kniekehlen. Er fing dann an zu nörgeln und im Geiste ging ich durch: Hunger hat er nicht, Durst kann auch nicht sein, zum Klo waren wir eben – nehm’ ich ihn mal weiter zu mir hoch. Anscheinend war es das gewesen, Picco lag mit dem Kopf auf meinem Arm, war zufrieden und schlief.
Leider überfielen die Krämpfe ihn meistens im Schlaf und während wir noch Beide dösten, krampfte er heftig und biss völlig unkontrolliert und mit aller Kraft in meinen Arm. Ich bekam ihn erst gar nicht ab, seine Kiefer waren fest zusammengepresst. Dann wurde er wach, der Krampf ließ nach und ich hatte vier tiefe Löcher im Arm.
Katzenbisse sind gefährlich und so legte ich eine Kompresse auf die Wunde, stieg in mein Auto und fuhr zum ärztlichen Notdienst.
Das war auch so eine Geschichte für sich! Die Ärztin, die Dienst hatte (aus der Onkologie!) wunderte sich, weshalb ich kam, ich musste sie erst über das Risiko eines Katzenbisses aufklären. Dann bekam ich noch zur Antwort, dass sie ja keine Tierärztin sei. Na ja, aber dass Tiere auch mal Menschen beißen, hätte sie eigentlich wissen müssen...
Die Behandlung war in Ordnung, es ist weiter nichts draus entstanden. Die anderen Bisse waren weniger schlimm und ich weiß ja, dass er nichts dafür kann. Trotzdem bin ich jetzt vorsichtiger und halte ihm meine Finger oder Arme nicht mehr so direkt zum Reinbeißen hin.
Rundherum war für Picco gesorgt. Er konnte futtern und trinken, erhielt seine regelmäßige Bewegungstherapie, viele Schmuse- und Streicheleinheiten und war sicher in seiner Gitterbox untergebracht.
Tammi, die liebevolle Ersatzmama
Und er war nicht einsam! Wenn ich ihm auf dem Boden ein Nestchen gemacht hatte, besuchte ihn oft Tammi, eine liebe Katzenmutter, die bei mir auf der Pflegestelle ihre Jungen bekommen hatte und nun selbst auf ein neues Zuhause wartete. Tammi nahm sich des kleinen Picco rührend an und putzte ihn manchmal, dass ihm Hören und Sehen verging. (Die liebeTammi hat inzwischen ein sehr schönes Zuhause!) Als er sein Katzensofa bekam, musste das erst von den anderen ausgiebig beschnüffelt werden. Es fand Gnade vor ihren Nasen und Augen und Picco hatte auch dort öfter mal Gesellschaft.
Aber Besuch von den anderen konnte Picco nur bekommen, wenn ich zu Hause war, weil er sonst im Käfig saß und sie nicht hinein konnten. Ich wollte ihn unbedingt aus dem Käfig heraus haben.
Die Lösung fand meine ältere Tochter. Ich bekam von ihr das Laufställchen, das meine Enkelin nicht mehr brauchte. Den Boden befestigten wir so hoch, dass ich Picco bequem herausheben konnte, er aber nicht über den Rand klettern konnte. Die anderen durften Picco nun besuchen, wann immer sie wollten.
Piccos Tischmanieren lassen wegen der Ataxie sehr zu wünschen übrig, in den ersten Tagen waren die Gitterstäbe und die nähere Umgebung immer mit Futter eingeschmiert, das ziemlich hartnäckig klebte. Ich besorgte also dicke transparente Folie und verkleidete zwei Seiten des Ställchens damit. Das Futter klebte jetzt wenigstens nicht mehr überall, nur noch an der Folie! Auch kein Spaß, die sauber zu halten.
Bei all dem hatten wir jedoch vergessen zu berücksichtigen, dass die Gitterstäbe so eng stehen, dass zwar ein Kinderkopf nicht dazwischenpasst - ein Katzenkopf samt Körperchen schon. Ich kam eines Tages gerade noch rechtzeitig, um ihn aufzufangen, als er schon zur Hälfte aus dem Ställchen hing!
Wieder überlegen! Ein Katzennetz musste her. Das spannten wir an der Innenseite (er hätte sonst immer noch den Kopf dazwischen stecken können) einmal ringsherum. Folie ab und Picco bekam seine Mahlzeiten gemeinsam mit den anderen in der Küche. Er fraß auf der Seite liegend, wie die alten Römer. Die Bescherung ringsherum ließ sich anschließend bequem wegwischen. Es ist schon interessant, wie man sich Schritt für Schritt an Lösungen heranarbeiten muss.
Aber irgendwann blitzt die Idee auf und man wundert sich, wieso man so lange dafür gebraucht hat.
Trotz seiner regelmäßigen Therapie gelang es nicht, Picco wirklich mobil zu machen. Zwischendurch gab es Fortschritte, über die wir uns riesig freuten, aber auch Stillstände oder sogar manchmal Rückschritte, die wir nicht ignorieren konnten. Wir mussten realistisch bleiben, denn Picco war nicht damit geholfen, dass wir uns etwas vormachten.
Was kann man tun, wenn er es alleine einfach nicht hinbekommt? Dann muss ein Hilfsmittel her. Ich hatte schon Hunde mit ihren Gehhilfen gesehen, und natürlich wusste Piccos Therapeutin auch Bescheid. Auf der Website des Vereins wurde noch einmal um Spenden für einen Gehwagen gebeten, weil wir uns das so einfach nicht leisten konnten. Zu meinem großen Erstaunen und Piccos großem Glück kam tatsächlich eine große Summe zusammen.
Der nächste Glücksfall war, dass es gar nicht weit weg eine Werkstatt mit sehr engagierten Menschen gibt, die solche und andere orthopädische Hilfsmittel anfertigen. Nach Rücksprache über Piccos besonderen Fall fuhren Birgit, Picco und ich zu unserem ersten Termin.
Das Besondere an Piccos Fall ist, dass es für ihn nicht reicht, das Hinterteil zu stützen. Wenn er die Vorderbeinchen hätte nutzen können, um gezielt vorwärts zu kommen, hätte ein Wagen mit zwei Rädern für ihn gereicht, ähnlich wie ein Hunderolli. Aber sein ganzer Körper braucht Halt, er gerät immer wieder mit allen vier Beinchen durcheinander und weiß einfach nicht, in welcher Reihenfolge er sie benutzen soll.
Für die Konstrukteure seiner Gehhilfe war das eine neue Herausforderung.
Picco wurde zunächst vermessen, dann wurden die Ideen umgesetzt und nach kurzer Zeit konnten wir zur ersten Anprobe fahren. Noch einige Veränderungen, die auch sehr schnell vorgenommen wurden, und der Anruf: "Piccos Wagen ist fertig!" schickte uns wieder auf die Autobahn. Wieder Anprobe, noch ein paar kleine Änderungen, dann durften wir ihn mitnehmen.
Und waren gespannt wie die Flitzbogen, wie er damit zurechtkommen würde. In der Werkstatt hatten wir es zwar auch schon probiert, aber für Picco war die ganze Sache an sich schon aufregend genug. Er hatte reichlich damit zu tun, sich umzusehen und wusste gar nicht, was wir von ihm wollten.
Zuhause angekommen, fand dann die eigentliche Premiere statt. Oder auch nicht! Picco hatte immer noch keinen Schimmer, was das sollte. Wir schubsten ihn vorsichtig an, schoben auch den Wagen vorwärts, stellten seine Füßchen immer wieder neu hin und mussten erkennen, dass es auf dem glatten Laminatboden einfach nicht ging.
Daraufhin legte ich eine alte Badematte aus und richtig, ansatzweise kam Picco vorwärts. Er stieß sich mit den Hinterbeinen ab und kam dadurch immer ein Stückchen vorwärts. Durch das Üben konnten wir noch weitere notwendige Änderungen erkennen, so zum Beispiel, dass die Vorderräder fixiert werden mussten, denn sie sind um 360 Grad drehbar und Picco gelang es nicht, die Richtung beizubehalten.
Damit die alte Badematte wieder verschwinden konnte, kaufte ich einen Teppichrest, den ich im Wohnzimmer ausrollte - das war unser Catwalk! Auch so ein Versuch, den ich wieder verwerfen musste. Der Widerstand für die Räder war durch den Teppich zu groß, Picco hat nicht genug Kraft in den Beinen.
Marsik und die anderen fanden den Teppich toll! Man kann da so gut mit Anlauf drauf rennen und dabei tolle Tunnel aufschieben, die Menschen so herrlich zum Stolpern bringen - besonders, wenn man sich noch im Tunnel versteckt hat...
Der Teppich erfüllte seinen gedachten Zweck nicht, und nachdem Marsik ihn einige Male "verziert" hatte und ich ihn nicht mehr sauber bekam, war er ein Fall für den Sperrmüll. Sehr bedauerlich, denn er hatte meinem Wohnzimmer den besonderen Touch gegeben!
Piccos "Porsche" hat sein Leben nicht in dem Maße verändert, wie wir es uns gewünscht hätten, aber er wurde dennoch nicht vergebens angeschafft. Picco kann jetzt immer wieder mal die Welt aus der aufrechten Perspektive sehen, er kann ein bisschen hin und her rollern und, was ich auch ganz wichtig finde, er kann aufrecht im Stehen seine Mahlzeiten einnehmen.
An ein paar kleinen Erlebnissen mit Picco, die mich sehr berührt haben, möchte ich Euch an dieser Stelle noch teilhaben lassen. Piccos Physiotherapeutin war wieder bei uns, hatte mit ihm gearbeitet und ihn am Schluss auf sein kleines Sofa gelegt. Wir trinken dann immer noch zusammen Kaffee. Eigentlich war Picco ziemlich erledigt und hätte gleich einschlafen müssen, aber diesmal quengelte er herum und krabbelte vom Sofa. Wir dachten, dass er vielleicht noch in seinen Gehwagen wollte und setzten ihn hinein. Auch nicht! Er nörgelte weiter, und das kann er richtig gut. Ich sprach dann mit ihm und er sah mich an und antwortete mir immer wieder. Da meinte die Therapeutin: "Du, ich glaube, der will zu Dir."
Also nahm ich ihn auf den Arm und er wurde ruhig, schmiegte sein Köpfchen an mich, schloss die Augen und schlummerte zufrieden ein. Ich saß da mit ihm im Arm wie mit einem kleinen Baby und hatte vor lauter zärtlichen Gefühlen feuchte Augen. Er hat so viel zu geben und ich bin dankbar, dass ich sein Vertrauen und seine Zuneigung bekomme.
Und vor ein paar Wochen, es war ein sehr schöner Sommerabend, saß ich auf dem Balkon mit Picco im Arm. Ich streichelte ihn, massierte seine Füßchen ein bisschen und sprach leise mit ihm. Da erlebte ich zum ersten Mal, dass Picco treteln kann. So richtig die Zehen strecken und dann wieder Fäustchen machen, immer schön im Wechsel, rechts, links und dabei tüchtig schnurren! Das war für mich ein großes Geschenk, denn es zeigt mir, dass er sich wohl fühlt und Schönes genießen kann! Er spürt, wie lieb ich ihn habe und ich denke, das merkt er. Seine beiden Brüderchen, die auch die Krankheit überstanden hatten, haben Ataxien in unterschiedlicher Ausprägung zurückbehalten. Genauer kann ich das nicht einordnen, weil ich sie lange nicht gesehen haben. Sie haben bei Menschen mit einem großen Herz für Katzen und mit einem großen katzensicheren Garten ein tolles Zuhause gefunden. Picco hat es von den Überlebenden am schlimmsten erwischt, aber er hat hier für immer sein Zuhause.